Schirgiswalde in der Oberlausitz
liegt im östlichen Teil Deutschlands im Dreiländereck Deutschland, Tschechien und Polen.
Vermutlich im 13. Jahrhundert wurde das Gebiet um Schirgiswalde von fränkischen Kolonisatoren besiedelt. Im Jahr 1346 wird dann das Dorf Schirgiswalde erstmals urkundlich erwähnt. Die Siedlung entstand zunächst entlang eines zur Spree fließenden Baches. Ein Rittersitz an der Spree wurde später zum Niederhof.
Da böhmische Adelsgeschlechter hier sogleich Rechte besaßen, ist an eine Besiedlung von Böhmen her zu denken. Als Albrecht Berka 1451 seine Herrschaft Wildenstein im Elbsandsteingbirge gegen die Hälfte der damals sächsischen Herrschaft Schluckenau tauschte und diese mit einem anderen Besitztum, der Herrschaft Tollenstein, vereinigte, wurde Schirgiswalde dazugeschlagen und auf lange Zeit hinaus zur böhmischen Enklave.
Obwohl 1635 die Oberlausitz durch die Bestimmungen des Friedens zu Prag sächsisch wurde, blieb Schirgiswalde für weitere zwei Jahrhunderte böhmisch. Schirgiswalde wurde deshalb wie das übrige Böhmen auch, nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) im Zuge der Gegenreformation rekatholisiert, weshalb viel evangelische Schirgiswälder in das Lausitzer Gebiet wechselten.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Ort weitgehend zerstört und entvölkert. Um den Wiederaufbau und den wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern, gründete der damalige Grundherr Otto von Ottenfeld 1660 das Neudörfel, das heutige Neuschirgiswalde und förderte das Gewerbe durch Ansiedlung böhmischer Weberfamilien. 1665 erwirkte er von Kaiser Leopold I. in Wien die Erhebung von Schirgiswalde zur Stadt.
1703 wurde die kleine Stadt vom Bautzener Domstift erworben, das bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Grund- und Gerichtsherrschaft über Schirgiswalde hatte.
Zwar wurden schon Ende des 18. Jahrhunderts von Österreich wie auch von Sachsen Grenzbereinigungen angestrebt, die Insellage der böhmischen Stadt inmitten sächsischen Gebietes blieb jedoch bis 1809 bestehen. Im Gefolge des für Österreich unglücklichen Krieges gegen Napoleon hatte das mit Frankreich verbündete Sachsen Ende des Jahres 1810 Schirgiswalde militärisch besetzt. Der Friede von Schönbrunn zwang Österreich, auch auf seine böhmischen Enklaven in Sachsen zu verzichten. In den folgenden 36 Jahren war die staatliche Zugehörigkeit der Stadt ungeklärt, weil langwierige diplomatische Verhandlungen zwischen Österreich und Sachsen über einen Gebietsaustausch nicht gleich zum Ziel führten.
Österreich übte praktisch keine Hoheitsrechte im Städtchen mehr aus, betrachtete es aber nach wie vor zur böhmischen Krone gehörig, da die Einwohner noch an ihren Untertaneneid gebunden waren. Eine formelle Übergabe an Sachsen wurde durch den erneuten Kriegsausbruch 1813 (Sachsen an der Seite Frankreichs gegen Österreich und dessen Verbündete) verhindert. Nun begann die eigentliche staatenlose Zeit für Schirgiswalde. Keinem Staate waren Steuern zu zahlen, es brauchte auch kein Militärdienst geleistet werden.
Die Jahrzehnte der „Republik Schirgiswalde“ brachten der Stadt beträchtliche Vorteile, die man zu nutzen wusste. War schon 1709 im Bericht eines Besuchers festgestellt worden, dass sich die Einwohner von Schirgiswalde „größtenteils von Barchentweberei und vom Schleichhandel mit Wein und Zucker in die benachbarte Lausitz nähren“, so blühte der Schmuggel nach dem Schönbrunner Frieden noch stärker auf. Frachtwagen brachten Ware aus Hamburg, Bremen, Lübeck herauf, die hier im staatenlosen Gebiet zollfrei eingeführt und dann von gewerbsmäßigen Schmugglern über die Grenze geschafft wurden. Auch das in den deutschen Ländern verbotene böhmische Lotto warf gute Gewinne ab. Räuber (Böhmischer Wenzel), politische Flüchtlinge und zwielichtige Gestalten, die in Schirgiswalde ein sicheres Asyl fanden, wussten die Staatenlosigkeit ebenfalls auszunutzen.
Wegen der Probleme, die sich über die Jahre aus der ungeklärten Situation ergaben, war Österreich jedoch bereit, im Zuge eines Gebietsaustausches mit sich verhandeln zu lassen. Schließlich führte ein Aufruhr gegen den verhassten Gerichtsverwalter Knüpfer 1843 dazu, Österreich einlenken zu lassen. Insbesondere das persönliche Eingreifen des Kanzlers Metternich, dem an der Wiederherstellung von "Recht und Ordnung" gelegen war, brachte die Sache voran.
Nach Vortrag Metternichs beim Kaiser wurde die unverzügliche Übergabe von Schirgiswalde genehmigt und bei einer Verhandlung am 1. Juli 1845 in Rumburg bereits auf den 4. Juli festgesetzt. An diesem Tag wurde im domstiftlichen Schloss das Übergabezeremoniell durch den Leitmeritzer Kreishauptmann Josef Klezansky und den Budissiner Kreisdirektor von Könneritz vor Vertretern der Stadt und der Kirchlichen Grundherrschaft vollzogen.
Aufgrund der eigenartigen Verhältnisse hatte sich über die Jahre eine stark konservative Gesinnung in der kleinen Stadt herausgebildet, welche für eine rasche Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten oft hinderlich war. So kam es in Schirgiswalde erst sehr spät zu einer nennenswerten Industrialisierung. Man versuchte sich als brave, kleine Handwerker- und Handelsstadt über Wasser zu halten, in der die Weberei einen wichtigen Erwerbszweig bildete. 1849 besaßen 32,6 Prozent der Bewohner am klappernden Webstuhl daheim.
Dabei tat der sächsische Staat sofort einiges für das neugewonnene Gebiet. 1846/47 baute man eine gute Verkehrsstraße von Kirschau über Schirgiswalde nach Sohland aus. Im Jahre 1846 wurde die Patrimonialgerichtsbarkeit, die seit 1703 die Dekane des Domstiftes Bautzen als Grundherren besessen hatten, abgelöst und das Gerichtsverhältnis für Schirgiswalde staatlich geordnet. 1853 wurde ein Königliches Gericht gebildet, das spätere Amtsgericht Schirgiswalde.
Die Stadt Schirgiswalde gab sich 1848 ihr erstes „Lokalstatut“ und wählte Josef Sieber zum Bürgermeister. Der Ort hatte um diese Zeit etwa 1500 Einwohner. Die bürgerliche Revolution von 1848/49 berührte Schirgiswalde nur wenig. Die 1848 gegründete Kommunalgarde wurde 1850 wieder aufgelöst.
Langsam entwickelte sich die kleine Stadt weiter. Ihr äußeres Bild gewann einige neue Züge. 1860 baute man eine neue Schule, die bis 1904 den Ansprüchen genügte. 1867/68 erhielt die Pfarrkirche die beiden beherrschenden, wenn auch nicht stilgemäßen Türme. Der Ziegelsteinbau einer evangelischen Kirche entstand erst 1896. Der Spreeübergang nach der Kleinseite und nach Crostau zu, war bisher nur ein hölzerner, überdachter Fußgängersteg gewesen, während Fuhrwerke durch eine Furt fahren mussten. 1874 baute man endlich eine feste und breite Brücke über den Fluss. Im gleichen Jahre gab es auf den Hauptstraßen des Städtchens eine vielbewunderte Neuerung, die ersten Straßenlaternen. Von 1871 an wurde das geschäftliche Leben des Ortes durch eine Sparkasse gefördert, 1877 das kulturelle Leben durch Einrichtung einer Volksbibliothek bereichert. Ein wichtiges Ereignis, für das wirtschaftliche Leben ungemein förderlich, war der Bau der Eisenbahnstrecke von Wilthen bis Sohland im Jahre 1877. Damit war Schirgiswalde über Großpostwitz mit Bautzen, über Neukirch mit Dresden recht günstig verbunden.
Die Einwohnerzahl der kleinen Stadt wuchs gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts immer rascher. Im Jahre 1880 betrug sie 2645. Viele Menschen lebten jedoch in bedrängter wirtschaftlicher Lage. Hausweberei und Strumpfwirkerei, die man bisher betrieben hatte, waren durch niedrige Löhne und Auftragsmangel unrentabel geworden. Auch die Herstellung künstlicher Blumen, die man von Sebnitz übernommen hatte, brachte nicht viel ein. In der domstiftlichen Brauerei, in den Steinbrüchen und Waldungen der Umgebung wurde nur eine geringe Zahl von Arbeitskräften gebraucht. Am besten standen sich noch die zahlreichen Handwerker, die Kaufleute und die Bauern. Viele Schirgiswälder aber mussten zusehen, ob sie in den Fabriken der Nachbarorte Arbeit fanden.
Ein Umschwung bahnte sich im Jahre 1883 an. Damals richtete der Großindustrielle Hermann Wünsche aus Ebersbach auf dem Pfarrlehn in Schirgiswalde eine mechanische Weberei ein. Sie wurde gleich in größerem Umfange angelegt und beschäftigte schon nach wenigen Jahren 700 Arbeitskräfte. Die Barchente, Flanelle, Bettzeuge, Schürzen, Kleider- und Rollostoffe, die sie herstellte, fanden guten Absatz. Andere industrielle Unternehmen, die um diese Zeit entstanden, entwickelten sich nicht wesentlich.1924 wurde im Südteil des Ortes eine „Mechanische Scheuertuch- und Handtuchweberei“ gegründet. Alles in allem spielten textile Betriebe über die Jahre bis in die Zeiten der DDR hinein eine sehr große Rolle.
Auf Grund der geografischen Lage von Schirgiswalde spielte und spielt auch heute noch der Fremdenverkehr eine sehr große Rolle. Die Stadt ist staatlich anerkannter Erholungsort in dem eine Vielzahl von Hotels und Pensionen, sowie Ferienwohnungen auf ihre Gäste warten. Schirgiswalde ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert.